Who the Fuck Is Pigmento?
Spirit of a Dual Nature

Pointierte Erzählungen, Anekdoten statt Fakten

 

Kapitel 1 Das Künstlerleben ist schön und kompliziert

Geboren wurde ich am 15. Februar 1947 in Wien. Meine Kindheits- und Jugendjahre verlebte ich abwechselnd in Prag und Wien. Mit vierzehn Jahren kam ich auf die Realschule, und von der nun folgenden Zeit ist nicht viel Rühmliches zu sagen. Zufall und Ehrgeiz entschieden über meine bunte Karriere als Beamter, geschäftsführender Gesellschafter eines Bauunternehmens, Rentmeister einer Gutsverwaltung, Marketingdirektor und Geschäftsführer osteuropäischer Tochtergesellschaften renommierter Konzerne im Industrieanlagebau. Der Zwiespalt, auf halbem Wege zwischen Prag und Wien, bestimmte auch meine erfüllte berufliche Laufbahn – diese hatte mich unwiderruflich geprägt. Je ne regrette rien. Meine Liebe zur Malerei begann bereits im frühen Jugendalter. Mein Wunsch Maler zu werden, ging durch Selbststudium sehr spät und auch nur teilweise in Erfüllung, doch blieb dieser seit dem Zeichen- und Malunterricht bei Prof. Eisenmenger in mir immer lebendig. Als Autodidakt und Spätberufener folgte ich einer inneren Stimme, die sagte: „Du hast dem Nebensächlichen zu viel kostbare Zeit geopfert und dich vom Wesentlichen immer weiter entfernt. Denke nicht an das Publikum, sondern male ausschließlich, was dir Vergnügen macht". Mit der Malerei verband mich sowohl eine Vorliebe für mittelalterliche Kunst und Primitivismus, als auch ein starkes Interesse an der klassischen Moderne. Fand sich Widerspruch in meinen Worten, war dieser bezeichnend für meinen zwiespältigen Charakter. Unterschiedliche, widerstreitende, janusköpfige Ansichten drückten sich immer wieder in meinem Denken und meinem Handeln aus. Wie die Zukunft über meine Arbeiten urteilen würde, und wohin sie mich stellen würde, wusste ich nicht; das aber wusste ich, dass ich niemals leichtfertig verfahren würde, dass ich stets die ganze mir zu Gebote stehende Kraft einsetzen und mich bemühen würde, als ein echter Künstler zu bilden und zu gestalten. Wenn es mir nicht gelang - am Wollen fehlte es nicht. Meine moralische Verantwortlichkeit wurde von meinen subjektiven Wertempfindungen und Erlebnisvorgängen bestimmt. Zugegeben, ich neigte schon immer zum Dramatisieren. Aber, ich ließ mich von der heuchlerischen Gesellschaft nicht blenden und versuchte, die mit Verboten kontaminierte Realität zu ignorieren. Die täglichen Nachrichten und Szenarien weckten in mir apokalyptische Gefühle. Nein, die Endzeit wollte ich nicht heraufbeschwören. Maler, male, werde gelassen, arrangiere dich! Ich malte, malte und malte, versank dabei in eine Parallelwelt, in eine andere Dimension. Ich fühlte mich keinen akademischen Regeln oder traditionellen Inhalten verpflichtet. Charakteristisch für mein ganzes Schaffen war der breit gefächerte Aktionsradius mit stilistischer Vielfalt. Kein äußerer Einfluss, kein einheitlicher Stil, ein wenig in Anlehnung an die „informelle Malerei“. Ausnahme bildeten die geometrische Abstraktion sowie die Akt- und Portraitmalerei. Die Farbe wurde zum primären Gestaltungsmittel, zeichnerische Elemente traten des Öfteren aus dem Unbewussten in den Vordergrund. Die Formgestaltung entstand bei meinen Arbeiten überwiegend "alla prima", unter Ausschluss der Ratio und gelegentlich in Gesellschaft von "La Fée Verte", mit einem surrealen Ziel. Allen meinen Arbeiten war gemeinsam, dass das Gefühl, die Emotion und die Spontaneität sich in ewigem Duell mit dem Streben nach möglichster Perfektion, Vernunft und Reglementierung befanden. Alle geltenden Werte traten außer Kraft. Meine Arbeiten waren bildhafte Gleichnisse aus Erlebtem – aus inneren und äußeren Wahrnehmungen. Ich lebte zwischen Spaßgesellschaft und Leistungsdruck, Leichtsinn und Ausgebranntsein, setzte auf freies Denken und freies Handeln. Bürgerliche Werte und Normen fand ich als einschränkend, kreative Freiheit als erstrebenswert. Nicht in einer unglücklichen Welt bin ich aufgewachsen, sondern in einer verlogenen. Mir fehlte der Mut, den ganzen Schutt von Lügen wegzuräumen, den Ballast wegzuwerfen, mich zu entrümpeln. Das Pflichtbewusstsein war auch eine der vielen Masken, die ich ohne weiteres übernahm, um mich dahinter verstecken zu können. Als kreativer Mensch war ich oft empfindlich, wenn meine Ideen und Visionen nicht gebührend beachtet wurden. Die Sehnsucht nach Anerkennung und Lob war groß. Ich sah Kunst als geistige Nahrung. Der bewusste Umgang mit geistiger Nahrung wird oft unterschätzt. Jahrzehntelange persönliche Auseinandersetzungen mit den Wechselwirkungen von Kunst und Gesellschaft formten mein Denken und Handeln. Provokation hatte bloß geringen Stellenwert bei meinen Arbeiten.

 

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