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Who the Fuck Is Pigmento?
Spirit of a Dual Nature

Pointierte Erzählungen, Anekdoten statt Fakten

 

Kapitel 25 Bofitrade spol. s r.o.

Unser langer Weg zur Kompetenz im Bereich Fischzucht und Fischhandel war reizvoll, phasenweise steinig, aber auch äußerst lehrreich. Fische fängt man mit der Angel oder mit dem Netz, Leute mit Worten. Mein Freund Tino – er hatte grundlegende Kenntnisse in der Fischzucht – musste mich nicht lange überzeugen und meinte wir sollten uns mit diesem lohnenden Geschäftszweig ehestens befassen. Die Ostöffnung würde viele „Haie“ auf den Plan rufen. Der Spruch des früheren tschechischen Präsidenten Václav Havel – „Man kann aus einem Aquarium eine Fischsuppe machen, aus einer Fischsuppe aber kein Aquarium mehr." – hatte uns gefallen und motiviert. Im klimatisch begünstigten Böhmen und Mähren wurden traditionell Karpfen produziert. Also schnell her mit einem attraktiven Firmennamen. Aus dem Stehgreif kam mir Bofitrade in den Sinn. Was für ein Schwachsinn, meinte Tino. Willst du mich verarschen? Nein, ich denke an Bohemian Fish Trading, erwiderte ich. Ein Erfolgskonzept bahnte sich an. Gute, einflussreiche Freunde, samt ihren putzmunteren Seilschaften, hatten uns die Firmengründung leicht gemacht. Zu ihrem Einflussbereich gehörten Notare, Anwälte, Fremdenpolizei, Gewerbeamt, Handelsgericht, Veterinärmediziner und die, für uns besonders wichtige Aktiengesellschaft Rybářství Třeboň a.s., die zu den größten Produzenten von Süßwasserfischen in der Tschechischen Republik gehörte. Diese Gesellschaft hatte uns „gefälligkeitshalber“ Fischteiche, Fischereimeister und sämtliche erforderlichen Gerätschaften vermittelt. Die Region Třeboň war unzertrennlich mit der Tradition der Teichwirtschaft und Fischerei verbunden. Keine Spiegelkarpfen bloß Schuppenkarpfen wollten wir produzieren, die ihren Absatz in Österreich haben sollten. Die Bewirtschaftung der Teiche erfolgte mit viel Erfahrung und Fingerspitzengefühl. Traditionsgemäß fand im Herbst das „Abfischen“ der Teiche statt. Beim Abfischen wurde das Wasser fast zur Gänze aus den Teichen abgelassen. Eine sehr arbeitsintensive Handarbeit. Nach dem Ablassen der Teiche verblieben die Fische in der sogenannten Fischgrube, also der tiefsten Stelle des Teiches vor der Ablassvorrichtung. Die Fische wurden dann mit langen Zugnetzen ans Ufer geholt, wo sie mit Keschern aus dem Wasser gehoben wurden. Anschließend sortierte man die Fische händisch in Bottichen nach Größenklasse und Fischart. Später wurden sie in Hälterungen verbracht. Von dort konnten die Karpfen jederzeit entnommen und absolut frisch angeboten werden. Die ersten „Gehversuche“ hatten wir also bravourös gemeistert. Die Erträge waren zufriedenstellend, der Absatz im Inland gesichert. Merkwürdigerweise wurden in Folge die jährlichen Fischerträge bei gleichbleibenden Bedingungen rückläufig. Trotz ständiger Überwachung der Fischteiche durch unseren einheimischen Fischereimeister, hatten wir Fischdiebstahl nicht ausgeschlossen. Dieser meinte lakonisch, dass es nur die diebischen Kormorane seien, die hier ihr Unwesen treiben würden. Dessen ungeachtet, hatten wir, um den Absatz zu sichern, um die Importgenehmigung nach Österreich angesucht. Eines Abends saßen wir in einer kleinen Dorfkneipe, als sich am Nebentisch die Einheimischen über das bevorstehende Abfischen unserer Teiche aufgeregt unterhielten. Es ging nicht nur ums bloße Abfischen. Der Fischfang wurde auch bereits aufgeteilt. Nicht ohne die Rechnung des Wirten, dachten wir und fragten unseren Fischereimeister, wann denn das Abfischen stattfinden würde, um dieses auch wieder einmal mitzuerleben. Wir konnten an seinen fragenden Augen ein gewisses Unbehagen erkennen. Der Tag des Abfischens kam immer näher. Was würde uns erwarten? Wir fuhren zeitig am Morgen los, um vor Tagesanbruch vor Ort zu sein. Kaum angekommen, dachten wir vorerst an Wahrnehmungsstörung und dass unsere Gehirne nicht optimal Sinneseindrücke verarbeiten würden. Halluzination? Morgendliche Ruhe lag über und rund um den Fischteich. Der hatte kein Wasser mehr. Abgefischt. Unser Fischmeister hatte auch keine plausible Erklärung. Kormorane hatten nicht abgefischt. Was nun? Wir hatten Lieferverträge mit einem Wiener Fischgroßhändler abgeschlossen. An Ideen hatte uns nie gemangelt. Wieder einmal Troubleshooting. Wir fuhren zu unseren Freunden, zur Aktiengesellschaft Rybářství Třeboň a.s. und baten um Hilfe. Wir kauften aus ihren Hälterungen die erforderliche Menge an Schuppenkarpfen, um den Wiener Fischgroßhändler von unserer Zuverlässigkeit und der Qualität unserer Karpfen zu überzeugen. Trotz mühsamer Grenzformalitäten – wir hatten auf die Zuteilung eines Fischkontingentes, für die Einfuhr nach Österreich gänzlich vergessen – erreichte unsere Lieferung pünktlich den Wiener Fischgroßhändler. Der Fahrer des Lebendfischtransporters begrüßte diesen sehr amical und verschwand in der Fischhalle. Nun, die Transportpapiere und Ware wurden übergeben, vom Abnehmer sogleich bezahlt. Ohne die Lieferung überhaupt gesehen zu haben, meinte dieser bloß: „Eine besonders gute Fischqualität. Unsere Lieferanten werden genau unter die Lupe genommen und müssen sich unseren strengen Kontrollen unterziehen.“ Wir waren verwundert ob dieser vertrauensvollen Geschäftspraktik. Also besten Dank, auf weiterhin gute Zusammenarbeit und bis zum nächsten Mal, sagten Tino und ich einstimmig. Es gibt kein nächstes Mal erwiderte er, eher schroff und setzte hinzu: „Diese Fische kommen aus meinen eigenen Hälterungen in Südböhmen, der Fahrer mit seinem Lebendfischtransporter steht bei mir unter Vertrag.“ Im Hintergrund hatte sich der Fahrer vor lauter Lachen gebogen und gebeutelt. Abgang. Blamage. Fiasko. Österreichische Qualitätsmarke „Waldviertler Karpfen“ sind doch eher am Weihnachtstisch gefragt. Geblieben ist die jährliche Exklusiveinladung der Aktiengesellschaft Rybářství Třeboň a.s., zum Abfischen und Abfeiern, ins Jagdschloss Ohrada am Südufer des Teiches Munický rybník, des Fürsten Adam Franz Schwarzenberg. Wir waren immer gern gesehene Gäste. Schwejkiade, eine der zahllosen Geschichten von Jaroslav Hašek? Nein, eine wahre Begebenheit, während unserer Zechtouren durch Südböhmen.

 

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Kapitel 25

 

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